Open Access-Monographien

Es wirkt ja schon widersprüchlich, wenn eine Monographie zu Open Access zunächst geschlossen publiziert wird und erst in einem Jahr unter einer CC-BY-Lizenz freigegeben wird. Ich kenne allerdings dieses Dilemma auch aus Autorensicht und möchte mich vor diesem Hintergrund zur aktuellen Kritik am Praxishandbuch Open Access äussern.

Ich hatte eigentlich auch die Vorstellung, dass die Monographie von Birgit Fingerle und mir zum Innovationsmanagement in Bibliotheken als Open Access-Publikation veröffentlicht werden sollte. Die Idee zur Monographie und die Anfrage zur Übernahme der Autorschaft ging vom De Gruyter Verlag aus. Es war auch klar, in welcher Reihe und in welchem Format das Werk erscheinen würde. Ich hätte auch anders entscheiden können und zum Beispiel das Thema dankend annehmen und dann in einem anderen oder im Eigenverlag veröffentlichen können. Aber der Vorschlag für ein Thema ging vom Verlag aus, und da wäre es nicht gerade die feine Art, die Idee zu übernehmen und anderswo umzusetzen. Dieser Vorschlag des Themas durch einen Verlag scheint mir wichtig. Ich hätte auch ablehnen können, dafür schien mir aber das Thema zu interessant.

Als es dann um die Konditionen der Veröffentlichung ging, haben wir die Option Open Access diskutiert. Dabei spielte noch eine Rolle, dass sich ein zuvor bei De Gruyter Open Access veröffentlichtes Buch unter den Erwartungen verkauft hatte. Der Verlag war (wieder) zögerlicher geworden. Wir hätten aber die Option wählen können, als Autoren das Buch frei zu kaufen. Ich habe die Zahl 15000 € im Kopf. Das war für uns als Autoren aber nicht tragbar. Wir leisten ja schon die ganze Arbeit in Hunderten von Stunden. Und übrigens – als Hochschuldozent kann ich nur einen sehr kleinen Teil dieser Arbeit (wenn überhaupt) auf meine Arbeitszeit abrechnen. Da will ich bestimmt nicht noch selber was finanzieren.

Mit dem Konzept von Knowledge Unlatched könnten sich Bibliotheken zusammentun, um gemeinsam diese Summe zum Freikauf einer Monographie aufzubringen. Das scheint mir ein durchaus interessantes Modell.

Was leistet der Verlag an Mehrwert? Bei uns waren es nach der Idee, dem Konzept für die Publikationsreihe, Vorlagen für den Text und die Formatierung, Insistieren auf Abgabe des Typoskripts vor allem der Satz, die Korrektur, die Publikation in verschiedenen Formaten und die Vermarktung. Das ist nicht wenig – aber die Hauptarbeit leisten tatsächlich wir Autoren. Wir  erhalten als Co-Autoren je 5% der Einnahmen, wobei ich nach über einem Jahr erst eine Summe erhalten habe, für die ich etwa 4 Stunden arbeiten könnte… Rentieren geht anders.

Mit meinem Buch über E-Books wähle ich jetzt ganz bewusst einen anderen Weg: Selbstverlag oder OA-Verlag mit einem offenen Buch unter CC-BY (der Verlegerkollege spricht noch von CC-BY-NC, was ich ihm aber noch ausreden werde…), das man aber auch gedruckt (Print on Demand) und in den Online-Stores kaufen kann. Als Autor verspreche ich mir davon: hohe Akzeptanz, schnelle und einfache Verbreitung und dadurch erhöhte Sichtbarkeit, hohe Zufriedenheit der LeserInnen. Ich verzichte auf die Aufnahme in ein Verlagsprogramm und Integration in Lizenzpakete und somit auf ein paar Fränkli. Ich gehe aber davon aus, dass Bibliotheken das Buch auch gedruckt kaufen (wetten, dass…) und ich von einem höheren Anteil an den Einnahmen profitieren kann. Wobei ich genau dies erst erfahren werde, wenn ich beide Modelle ausprobiert habe. Offen ist hier vor allem auch, ob Bibliotheken das Werk ausserhalb der bekannten Verlagsprogramme erwerben werden.

Nach diesen Ausführungen ein Wort zur (noch) nicht offenen OA-Publikation: es gibt Themen, bei denen man als Autor einen Shitstorm riskiert, wenn man die Publikation nicht frei zugänglich macht. OA ist ein solches. Es sind nicht die Autoren, die vom Verkauf der Exemplare profitieren. Sie kriegen in der Regel nur eine kleine Entschädigung für ihre Arbeit. Es scheint mir nicht korrekt, wenn man den Themenvorschlag eines Verlags übernimmt und es dann an einem anderen Ort veröffentlicht. Man kann über die Bedingungen verhandeln und das Thema ablehnen, wenn man als Autor damit nicht einverstanden ist. Das Modell Embargo und OA nach einem Jahr ist ein Kompromiss. Gerade das Thema des diskutireten Praxishandbuchs Open Access hätte sich aber aufgedrängt, damit der Verlag ein mutigeres Modell wagt. Bisherige Erfahrungen (z.B. im Projekt OAPEN-NL oder aktuell in OAPEN-CH) zeigen, dass die parallele OA-Publikation den Verkauf des gedruckten Werks nicht kannibalisiert. Was aber auch damit zu tun hat (vermute ich), dass Bibliotheken die gedruckte Version kaufen, auch wenn das Buch als OA-Monographie zugänglich ist.  Ob sie sich das immer leisten werden, können wir heute nicht sagen. Aber ich bin mir sicher, dass gerade das Praxishandbuch Open Access von sehr vielen Bibliotheken als Buch beschafft wird.

Ich spiele den Ball mal dem Verlag zu: Sie sehen ja die Vorbestellungen und Bestellungen. Wagen Sie es, das E-Book schon jetzt frei zugänglich zu machen? Der Applaus wäre Ihnen sicher…

Nachtrag: Im Beitrag wird nicht klar, dass die AutorInnen die Möglichkeit haben, ihre eigenen Beiträge als Preprint in einem eigenen Repository zu veröffentlichen (Green Road to Open Access). Dadurch sind die Inhalte der entsprechend publizierten Beiträge bereits heute frei zugänglich – allerdings nicht im Layout der Verlagspublikation. Und die Beiträge sind einzeln in unterschiedlichen Plattformen abgelegt. Wer übrigens keine Möglichkeit hat, auf dem Repositorium einer Hochschule eine Publikation (oder Forschungsdaten) zu veröffentlichen, kann dafür kostenlos Zenodo, die Plattform des CERN, nutzen.

Einige Beiträge habe ich gefunden und zitiere sie hier, und zwar in uneinheitlichem Stil, so wie sie eben von den verschiedenen Plattformen ausgegeben werden:

Deppe, A., & Beucke, D. (2017). Urspünge Und Entwicklung Von Open Access. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.802639

Eve, Martin Paul (2017) Open Access in the United Kingdom. In: Söllner, Konstanze and Mittermaier, Bernhard (eds.)Praxishandbuch Open Access. De Gruyter. ISBN Bernhard. (In Press) http://eprints.bbk.ac.uk/id/eprint/16684

Frick, C. (2017). Empfehlungen Für Workflows Zur Übernahme Von Publikationsgebühren. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.802361

Ulrich Herb (2017). Sozialwissenschaften. In K. Söllner & B. Mittermaier (Hrsg.), Praxishandbuch Open Access (S. 254–260). De Gruyter. https://hcommons.org/deposits/item/hc:13149/ 

Köhler, M. (2017). Open Access in den MINT Fächern. Deutsches Elektronen-Synchrotron, DESY, Hamburg. https://doi.org/10.3204/pubdb-2017-04494

Müller, U. (2017). Standards Und Best Practices Im Kontext Von Open Access. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.804529

OBERLÄNDER, Anja, 2017. Förderung von Open Access über institutionelle Infrastrukturen, insbesondere Repositorien. In: SÖLLNER, Konstanze, ed., Bernhard MITTERMAIER, ed.. Praxishandbuch Open Access. Berlin:De Gruyter Saur, pp. 137-145. ISBN 978-3-11-049203-3 https://kops.uni-konstanz.de/handle/123456789/38273 

Pampel, Heinz, & Tullney, Marco. (2017). 3b Open-Access-Publikationsfonds. In Praxishandbuch Open Access. Berlin: De Gruyter Saur. http://doi.org/10.5281/zenodo.439267

Pfeiffenberger, H. (2017): Data Publishing und Open Access / K. v. Söllner and B. Mittermaier (editors) , Praxishandbuch Open Access, Berlin/Boston, De Gruyter Saur, ISBN: 978-3-11-049406-8 . http://epic.awi.de/44709/ 

Pieper, D. (Accepted). Open-Access-Publikationsgebühren. In K. Söllner & B. Mittermaier (Eds.), De Gruyter Praxishandbuch. Praxishandbuch Open Access Berlin: De Gruyter Saur. https://pub.uni-bielefeld.de/publication/2908510

Und das komplette Buch, auf das vermutlich die meisten Angehörigen einer deutschsprachigen Hochschule Zugriff haben (danken Sie Ihrer Bibliothek, die es für Sie erworben hat!), findet man hier:

Söllner, K. (Ed.) & Mittermaier, B. (Ed.) (2017). Praxishandbuch Open Access. Berlin, Boston: De Gruyter Saur. Retrieved 10 Jun. 2017, from http://www.degruyter.com/view/product/475926

Autor: mrudolf

Director of University Library Zurich, former Director of State and University Library Lucerne (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern), former Professor for Library Science at HTW Chur (university of applied sciences), co-editor of Informationspraxis, co-principal investigator of the Horizon Report Library Edition, blogging on library topics - and also on mindful living (in German as Männerherz)

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