neuer Artikel: Partizipation in Bibliotheken

Hier ist also das (vorläufig) letzte Produkt unserer Zusammenarbeit an der HTW Chur – ein gemeinsamer Beitrag in der neusten Ausgabe der LIBREAS zum Thema Partizipation in Bibliotheken: Karsten Schuldt, Rudolf Mumenthaler, „Partizipation in Bibliotheken. Ein Experiment, eine Collage“. LIBREAS. Library Ideas, 32 (2017). http://libreas.eu/ausgabe32/schuldt/

In diesem Text schildern wir unseren Weg zu dem Thema über ein norwegisches Forschungsprojekt (2.1) und bibliothekarische Literatur (2.2), die wir in diesem Zusammenhang konsultierten. Anschliessend stellen wir ein Modell vor, welches unser Unbehagen vielleicht etwas besser greifbar macht (2.3) und zeigen – neben zwei notwendigen Exkursen (2.4, 2.6) –, dass Partizipation in Bibliotheken auch ganz anders verstanden werden könnte (2.5). Letzteres passt zwar gut in das Modell, welches wir vorstellen, öffnet aber nur weitere Fragen für die Bibliotheken und die Bibliotheksforschung, die wir am Ende des Textes präsentieren (3.).

Wie zuvor zum Thema „Bibliothek als Dritter Ort“ berichten wir über die Ergebnisse (oder Nicht-Ergebnisse) eines Seminars an der HTW Chur, in dem wir ein aktuelles Trendthema kritisch hinterfragten. Wie es sich für gute und kritische Forschung gehört, wirft sie mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Und wir gehen wieder mal der Frage nach, was Bibliotheken meinen, wenn sie von […] sprechen, hier also von Partizipation.

Ich danke meinem Kollegen Karsten Schuldt für viele anregende Gespräche, Diskussionen und schriftliche Auseinandersetzungen. Ich habe durch diese gemeinsamen Seminare und Beiträge viel gelernt und dabei auch viel Spass gehabt. Im Umgang mit Trendthemen habe ich meinen Enthusiasmus bewahrt, bin aber auch kritischer geworden.

Das Veränderungspotential von SLSP

Im Blog des Projekts SLSP* (Swiss Library Service Platform) habe ich einige Gedanken zum Veränderungspotential von SLSP formuliert. Mir scheint es wichtig, dass jetzt, bevor wegweisende Entscheidungen gefällt werden, einige Grundsatzfragen diskutiert und geklärt werden. Es geht dabei um die Fragen, wer in SLSP in welcher Form und in welcher Rolle mitmachen und mitentscheiden wird und welche Aufgaben der zentrale Dienstleister mittelfristig übernehmen soll. Ich plädiere ja schon länger für neue Formen der Zusammenarbeit, und SLSP scheint mir für die Schweizer Bibliothekslandschaft eine einmalige Gelegenheit einen grossen Schritt in diese Richtung zu gehen. Aber man sollte sich der Konsequenzen bewusst sein und offene Fragen jetzt klären. Nur so kann das Projekt erfolgreich sein.

*Da dieses Blog nicht mehr online ist, veröffentliche ich den damaligen Beitrag hier in meinem Blog:

Das Veränderungspotential von SLSP

Im Frühjahr wurde der erste Zwischenbericht zum Projekt Swiss Library Service Platform veröffentlicht, und am 10. Mai fand eine öffentliche Informationsveranstaltung statt. Es wurden der aktuelle Stand des Projekts sowie die Ergebnisse der einzelnen Teilprojekte vorgestellt. Zudem wurden wegweisende Entscheidungen für den Sommer 2016 angekündigt – ein guter Moment, um mit einer Aussenperspektive den Stand der Dinge zu betrachten.

Wobei ich etwas genauer deklarieren möchte, in welcher Verbindung ich zu SLSP stehe: Ich bin Mitglied des sog. Sounding Board (groupe de reflexion).

Ich möchte in diesem Beitrag einige Aspekte ansprechen, von denen ich grössere Auswirkungen auf die Schweizer Bibliothekslandschaft erwarte. Erstaunlicherweise gab es in der Diskussionsrunde an der Informationsveranstaltung kaum kritische Fragen. Erstaunlich deshalb, weil sich die Projektbeteiligten eigentlich bewusst sind, dass mit SLSP einige grosse Veränderungen auf Schweizer Bibliotheken zukommen werden und dass diese nicht überall nur auf Zustimmung stossen werden.

Wer macht mit?

Eine entscheidende Frage lautet, wer sich aktiv am künftigen Betrieb von SLSP beteiligen wird. Im Projekt wurde ein Modell ausgearbeitet, das von (eher wenigen) Partnern ausgeht, welche „in die Plattform investieren und über die strategische Ausrichtung entscheiden“ (Zwischenbericht S.8). Ein zweiter Kreis besteht aus Mitgliedern der Plattform, welche die Plattform mit Grundbeiträgen unterstützen und an der Ausrichtung schon während der Projektphase beteiligt sind. Schliesslich kommen Servicenehmer hinzu, die Dienstleistungen der Plattform nach Abschluss des Projekts gegen Bezahlung in Anspruch nehmen können.

Es ist naheliegend, dass in einem Projekt, das von swissuniversities finanziert wird, der Fokus bei den Mitgliedern dieser Organisation, also den Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen liegt. Dies hat zur Konsequenz, dass sich das Projekt SLSP ganz auf die entsprechenden Bibliotheken konzentriert. Bibliotheken, die nicht zu einer Hochschule gehören, können künftig allenfalls als Kunden Dienstleistungen von SLSP in Anspruch nehmen.

Die Kundengruppen werden in primäre und sekundäre differenziert, wobei die Hochschulbibliotheken zur primärem Kundengruppe gehören. Hier kommen affilierte Bibliotheken hinzu, die heute als wissenschaftliche (aber nicht universitäre) Bibliotheken an einem Bibliotheksverbund (IDS, Rero) beteiligt sind.

Die sekundäre Kundengruppe besteht aus den wissenschaftlichen Bibliotheken, die nicht an einem solchen Verbund beteiligt sind, sowie anderen GLAM-Institutionen. Sie haben kein Mitspracherecht im Projekt und werden auch nicht Partner der künftigen Plattform sein.

SLSP-1

In der Konsequenz müssen sich Kantonsbibliotheken – und auch die Nationalbibliothek – mit einer Zuschauerrolle begnügen. Besonders heikel wird es für Verbünde, an denen auch nicht-wissenschaftliche Bibliotheken beteiligt sind, denn diese sollen gar keine Kunden von SLSP sein.

„An dieser Stelle ist der Hinweis notwendig, dass nicht-wissenschaftliche Bibliotheken wie Schul- und Gemeindebibliotheken bis zur endgültigen Konsolidierung von SLSP keine Kundengruppe von SLSP sind. Dies schliesst nicht aus, dass diese Bibliotheksgruppe zu einem späteren Zeitpunkt definierte Services gegen Kostenübernahme beziehen kann.“ (Zwischenbericht, S.11)

An der Infoveranstaltung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die heutigen Verbünde um diese Bibliotheken (v.a. Gemeinde- und Schulbibliotheken) kümmern müssen, da sie nicht an SLSP teilnehmen können. Dazu gab es keinen Widerspruch in der Diskussion, aber gerade für den Rero-Verbund dürfte dies nicht unproblematisch sein. Ich gehe davon aus, dass rein technisch die Migration der aktuellen Verbünde 1:1 erfolgen wird. Alles andere scheint mir nicht realistisch. Was geschieht dann mit den nicht-wissenschaftlichen Bibliotheken, die quasi bei der Migration mitgeschwommen sind? Können Sie das System und die Dienstleistungen von SLSP trotzdem nutzen? Oder muss eine Auffanggesellschaft geschaffen werden, um eine Lösung für diese Bibliotheken zu bieten, da sie die Services von SLSP (noch) nicht nutzen können? Ich denke, dass es sinnvoll wäre, die Öffentlichen Bibliotheken als potentielle Kundengruppe (vielleicht als tertiäre Kundengruppe) mitzudenken. Aber auch die Öffentlichen Bibliotheken müssten sich zunächst einmal mit der Perspektive einer vertieften Zusammenarbeit beschäftigen. Das scheint mir heute in der Schweiz noch nicht wirklich der Fall zu sein. Die im Konzept berücksichtigten GLAM-Institutionen scheinen mir da weniger relevant – ausser vielleicht die Bibliotheken von wissenschaftlichen Archiven und Museen.

Etwas anders sieht die Rolle der National- und der Kantonsbibliotheken aus. Ich gehe davon aus, dass man sie auch in SLSP zu den wissenschaftlichen Bibliotheken zählt. Kantonsbibliotheken, die nicht auch Universitätsbibliothek sind (die sog. Studien- und Bildungsbibliotheken), gehören zur sekundären Kundengruppe. Zum Teil betreiben diese Bibliotheken kantonale Verbünde (z.B. St. Gallen, Graubünden, Aargau). Diese Bibliotheken können (und sollten) die Aufbauphase von SLSP nutzen, um 2020 bereit zu sein, um als Kunden von SLSP Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Allerdings: es ist schon bemerkenswert, dass die Schweizerische Nationalbibliothek im Projekt und in der künftigen Organisation keine aktive Rolle einnimmt. Das scheint mir aus Sicht einer schweizweiten Bibliotheksplattform ein Fehler.

Wie ist SLSP organisiert?

Im Teilprojekt Organisation und Governance wurden verschiedene Modelle geprüft. Schliesslich hat sich der Lenkungsausschuss für die Variante Aktiengesellschaft entschieden. Im Unterschied zu einer Vereinslösung sind in einer AG die Stimmen nach Höhe des finanziellen Engagements gewichtet. Dies entspricht dem oben genannten Konzept der primären Partner, die die Hauptlast und –verantwortung der Plattform tragen sollen. Dabei haben Erfahrungen in bestehenden Verbünden bestimmt Einfluss auf die Entscheidung gehabt. Die mangelnde Einflussmöglichkeit auf die strategische Entwicklung von Rero hat massgeblich zum Austritt des wichtigen Partners Kanton Waadt aus dem Verbund beigetragen. Dies soll in SLSP nicht geschehen. Überhaupt wird der Weiterentwicklung der Plattform schon heute grosses Gewicht beigemessen. So wurde auch schon ein Innovationskonzept für SLSP entwickelt.

Allerdings ist die Gründung einer Aktiengesellschaft noch mit einigen Unsicherheiten verbunden. Es gibt zwar Erfahrungen im Kontext der kooperativen Speicherbibliothek, doch muss die Machbarkeit einer AG zuerst geklärt werden. Um aber bereits 2017 die Ausschreibung eines gemeinsamen Bibliothekssystems in Angriff nehmen zu können, wird als Übergangslösung ein Verein gegründet.

Was bietet SLSP?

Im entsprechenden Teilprojekt wurde ein umfangreicher Servicekatalog erarbeitet, der grundsätzlich zwischen beim Start notwendigen und optionalen Diensten unterscheidet. Die Basisdienste umfassen weitgehend solche Services, wie man sie von heutigen Verbünden kennt. Diese zu vereinheitlichen und ab 2020 aus einer Hand anbieten zu können, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Auch das Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken soll in SLSP integriert werden. Neu hinzu kommt ein zentrales Identity-Management, vermutlich auf der Basis der neuen Swiss-EDU-ID. Entsprechend scheint es sinnvoll, dass weiterführende Angebote erst nach der Konsolidierung in Angriff genommen werden. Hier verbergen sich aber einige Fragen mit Sprengkraft: welche bibliothekarischen Dienstleistungen sollen mittelfristig zentral erarbeitet und angeboten werden? Im Zwischenbericht findet sich folgende Formulierung:

„Ebenso wichtig könnte die Frage werden, ob eine zentrale Serviceplattform bzw. -einrichtung nicht auch normierende Wirkung für eine Vielzahl klassischer Bibliotheksdienstleistungen (Fussnote: Ein Beispiel hierfür wäre etwa eine kooperative Formalkatalogisierung) haben könnte oder haben müsste. Obwohl auch diese Aspekte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht im Fokus der Projektarbeit stehen, sollte man solche Fragen auch im Kontext SLSP nicht aus den Augen verlieren.“ (Zwischenbericht, S.5)

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Abbildung: Serviceportfolio von SLSP (aus der Präsentation an der Infoveranstaltung)

Inhaltlich hat man im Projekt bereits auf die Anforderungen eines zentralen Metadatenmanagements reagiert und eine Arbeitsgruppe Standards und Regelwerke ins Leben gerufen. SLSP wird also eine Vereinheitlichung der Katalogisierungsregeln und –standards mit sich bringen. Weiter werden die heutigen Verbundstrukturen aufgelöst und deren Funktionen an SLSP übertragen. Hier stellt sich die Frage, wie viele Dienstleistungen weiterhin und zusätzlich vor Ort erbracht werden müssen? Und das Personal wird vor der Entscheidung stehen, wer zum neuen Arbeitgeber SLSP wechseln will. Da kommen einige grundlegende Veränderungen schon in der nächsten Projektphase auf die Bibliotheken und ihre Mitarbeitenden zu. Für die Phase nach 2020 könnte dies noch intensiviert werden:

Ich gehe davon aus, dass die Hochschulen von ihren Bibliotheken erwarten werden, dass die Synergiepotenziale genutzt werden. Die hohen Investitionskosten sollen sich durch Kostenreduktion lohnen, dürften die Hochschulleitungen erwarten. Bibliotheken sollten sich also besser schon heute überlegen, welche Routinetätigkeiten mittelfristig besser durch eine zentrale Einrichtung übernommen werden sollen. Es liegt auf der Hand, dass hier Erwerbung, Formal- und Sacherschliessung im Fokus stehen werden. Und es wird Aufgabe der Bibliotheken sein, verstärkt nutzerorientierte Dienstleistungen vor Ort zu entwickeln.

Ich wurde auch schon gefragt, wie denn die Zukunft des Metakatalogs Swissbib aussieht, wenn SLSP realisiert wird. Falls SLSP so realisiert wird, wie die Vision formuliert wurde, wird es nur noch einen gemeinsamen Katalog für alle wissenschaftlichen Bibliotheken der Schweiz geben. Dieser Katalog benötigt ein nutzerfreundliches Discovery-System, das auch noch andere Quellen (Repositorien, Online-Plattformen) indexiert, durchsucht und für den Zugriff aufbereitet. Dieses Discovery-Tool soll auch spezielle Ansichten und angepasste Oberflächen bieten (in der Grafik oben als optionaler Service aufgeführt).

Swissbib bietet heute eine Normalisierung der Metadaten und deren Aufbereitung und Bereitstellung als Linked Open Data. Das scheint mir eine wichtige Aufgabe, die das neue System höchst wahrscheinlich noch nicht übernehmen wird. Ich gehe davon aus, dass sich Swissbib sowohl für die Funktion eines Discovery-Tools wie auch für den LOD-Dienst „bewerben“ kann. Denkbar wäre auch, dass sich Swissbib auf Bibliothekskataloge und andere Quellen konzentriert, die nicht ins zentrale System integriert sind.

SLSP ist ein ambitioniertes und visionäres Projekt, das zu einer tiefgreifenden Umwälzung im Schweizer Bibliothekswesen führen dürfte. Wir haben es quasi mit einem nationalen Change-Projekt zu tun. Ich finde es wichtig, dass diese potentiellen Veränderungen heute schon von den Beteiligten diskutiert werden.

Weitere Blogbeiträge mit Bezug zum Thema Zusammenarbeit und SLSP:

Internet of Things – Gedanken zum Hype

Dank unseren Studierenden in der Vorlesung Aktuelle Trends in Bibliothekswissenschaft und -praxis durfte ich mich etwas intensiver mit der Thematik Internet of Things und dem möglichen Einsatz in Bibliotheken befassen. Zudem hatte ich Gelegenheit, der Präsentation von Projektarbeiten von Studierenden der Multi Media Productions an der HTW Chur zum Thema IoT zu verfolgen. Weiterlesen „Internet of Things – Gedanken zum Hype“

Trend und Herausforderung #12: Gaming in Bibliotheken

Gaming und Gamification behauptet sich seit rund zehn Jahren in der Liste der aktuellen Trends im Horizon Report Higher Education (vgl. dazu meinen Beitrag zum Horizon Report in LIBREAS). Gamification ist also eine Art „Geheimtipp“ – ein angekündigter Trend, der den Durchbruch noch nicht wirklich geschafft hat. Es gibt verschiedene Gründe dafür, dieses Thema als wichtig zu betrachten: Games haben sich als fester Bestandteil der Freizeitgestaltung von Jugendlichen etabliert und bilden einen bedeutsamen Wirtschaftsfaktor. Während viele Eltern und ErzieherInnen das Suchtpotential von Gaming kritisch betrachten, staunen andere über die enorme Motivationskraft von Spielen und über den Lernerfolg durch Spielen. Meistens meint man dies – der Erfolg des spielerischen Lernens -, wenn man über die Bedeutung von Gamification in anderen Bereichen spricht.

Nacht der Bibliothek in der Stadtbibliothek Elsdorf
Nacht der Bibliothek in der Stadtbibliothek Elsdorf

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Herausforderungen für Bibliotheken Q2/2015

Für einen Sammelband habe ich mich erneut mit dem Thema aktuelle Herausforderungen für Bibliotheken befasst. Da sich bis zum Erscheinen des Textes in gedruckter Form einiges bewegen und verändern wird und da im August bereits der Horizon Report 2015 Library Edition erscheinen wird, poste ich den Inhalt des Beitrags hier im Blog und datiere ihn mit 2. Quartal 2015. Wobei ich mir (natürlich) die Freiheit nehme, die Beiträge zu verändern und mit aktuellen Hinweisen anzureichern.

Ich werde hier aktuelle und mögliche künftige Herausforderungen für Bibliotheken auf der Grundlage der Ergebnisse des Horizon Report 2014 Edition Bibliotheken (englische Version, deutsche Version) darstellen und interpretieren. Im Horizon Report wurden je sechs Trends, relevante Technologien sowie Herausforderungen für wissenschaftliche Bibliotheken ermittelt und beschrieben. Bei den Trends wird nach kurzfristigen (1-2 Jahre), mittelfristigen (3-5 Jahre) und langfristigen (über 5 Jahre) unterschieden. Bei den technologischen Entwicklungen werden drei unterschiedliche Zeithorizonte betrachtet, in denen diese Entwicklungen für Bibliotheken wirksam werden sollen: ein Jahr, 2-3 Jahre und 4-5 Jahre. Eine andere Differenzierung findet sich bei den Herausforderungen: hier wird zwischen lösbaren, schwierigen und komplexen Herausforderungen unterschieden.

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Vortrag zur Zukunft von Bibliotheken

Ich war eingeladen, im Rahmen des Jubiläums Goethe-Universität 100 einen Vortrag zur Zukunft von Bibliotheken in der Informationsgesellschaft an der Stadtbücherei Frankfurt a/M zu halten. Erfreulicherweise gelang das Vorhaben der OrganisatorInnen, Bibliothekarinnen und Bibliothekare der Universitätsbibliothek und der Stadtbücherei zusammen mit interessierten NutzerInnen für dieses Thema anzusprechen. Im Anschluss an den Vortrag entstand eine spannende Diskussion. Herzlichen Dank dafür an alle Teilnehmenden! Weiterlesen „Vortrag zur Zukunft von Bibliotheken“

Bericht von der Session zu E-Books auf dem #bid13

Die Session zu E-Books auf dem 5. Kongress Bibliothek & Information Deutschland in Leipzig stiess auf grosses Interesse. Der kleine Saal 5 konnte nur einen Teil der interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer aufnehmen. Hier eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus meiner persönlichen Sicht:

Sebastian Mundt stellte die Ergebnisse einer repräsentativen Benutzerumfrage zu E-Books an den Hochschulen Baden-Württembergs vor (Abstract). Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass E-Books als neue Dienstleistung verstanden werden sollten und dass das Angebot grundsätzlich zu wenig bekannt ist. Entsprechend wichtig werden künftig Marketingmassnahmen von Bibliotheken sein. Auch die Dozierenden in ihrer Vorbildfunktion sind gefragt – sie nutzen E-Books deutlich häufiger als Studierende.

Thomas Hartmann und Elena di Rosa betrachteten den (urheber)rechtlichen Aspekt der E-Books, speziell der „Ausleihe“ (Abstract). Hier war der Hinweis auf das Urteil des EuGH zur Legalität der Weitergabe gebrauchter Software (Used Software). Hartmann meinte, dass damit auch die Weitergabe gebrauchter E-Books schon bald legalisiert werden dürte. Ich konnte in meinem Vortrag daran anschliessen, da die neuen interaktiven E-Books im Format EPUB3 oder die iBooks von Apple Javascript-Code enthalten und damit mit gutem Recht als Software interpretiert werden können.

Zwei Beiträge – von Rainer Plappert (UB Erlangen-Nürnberg – Abstract) und Silvia Herb (UB Bielefeld – Abstract) berichteten über Erfahrungen in der praktischen Arbeit mit E-Books, vor allem vor dem Hintergrund des Modells Patron Driven Acquisition. Plappert legte den Fokus auf eine an der UB vorgenommenen Anpassung der internen Organisation, um den Anforderungen des neuen Mediums bei der Lizenzierung und der Erschliessung gerecht zu werden. Herb verglich die Nutzung von Büchern und E-Books, die mit unterschiedlichen Erwerbungsmodellen beschafft wurden. Spannend war hier die Erkenntnis, dass die mittels PDA erworbenen E-Books zwar häufiger genutzt wurden als gedruckte Bücher, aber deutlich weniger als E-Books, die in Paketen (Springer) oder über die Auswahl durch Fachreferenten erworben worden waren. Interessant auch der Hinweis, dass die E-Books in Nutzerbefragungen eher schlecht abschneiden, wogegen die Auswertung der Nutzungszahlen eine hohe Akzeptanz belegt.

Gemeinsam mit Bruno Wenk (als Co-Autor, aber nicht als Referent) habe ich ein kurze Übersicht zu geben versucht, welche Veränderungen in Bibliotheken durch das neue Medium E-Books ausgelöst oder beschleunigt werden.

An die Beiträge der Vorredner konnte ich mit dem Hinweis anschliessen, dass nur schon die Definition des Begriffs E-Books problematisch ist. Nutzerinnen und Nutzer verstehen darunter oft etwas anderes als die Bibliotheken. Bei Nutzerbefragungen muss diesem Aspekt grosses Gewicht beigemessen werden. Ansonsten sprechen die einen von E-Book-Readern, die anderen von DRM geschützten EPUB Publikationen, wieder andere von den auf Verlagsplattformen angebotenen PDF-Dokumenten. Hier besteht noch Diskussions- und Klärungsbedarf. Die enge Definition als lizenzierte, digital produzierte Publikationen, wie sie in den Katalogisierungsregeln vieler Verbünde angewendet wird, greift hier zu kurz. Zudem sorgt die Benennung in vielen OPACs und Discovery-Systemen bei den Nuterzn für Verwirrung. Oder wer vermutet unter dem Filter „Online Ressourcen (ohne Zeitschr.)“ die Möglichkeit, E-Books zu suchen und zu finden?

Interessant scheint mir, dass kaum je erwähnt wird, dass sich Bibliotheken mit dem Modell Patron Driven Acquisition, das sie über einen Aggregator (z.B. Ebrary, MyiLibrary) anbieten, einem DRM unterwerfen. Die Möglichkeit der Kurzausleihe sowie die verschiedenen Nutzungseinschränkungen (z.B. die Anzahl Ausdrucke) weisen darauf hin, dass die angebotenen PDF-Dokumente vermutlich mit dem DRM von Adobe versehen sind und sich somit nur mit der entsprechenden Software nutzen lassen. Damit geht der Vorteil des offenen PDFs, wie es von den meisten Wissenschaftsverlagen angeboten wird, verloren. Die einfache Nutzung und Bearbeitung mit Tablets ist somit nicht mehr gegeben, da die PDFs vermutlich nur mit der App BlueFire Reader genutzt werden können, welche die Verbindung zum Adobe-Konto des Nutzers herstellt. Eine Vermischung der verschiedenen Angebotsmodelle und Formate wird die Bibliotheksnutzer zusätzlich verwirren.

Mein Beitrag handelte dann schwerpunktmässig von den Veränderungsprozessen in Bibliotheken, welche durch die E-Books beschleunigt werden. Das reicht von der schon besprochenen Erwerbung über die Erschliessung bis zur internen Organisation und veränderten Nutzungsbedingungen. Damit stehen Bibliotheken vor neuen Herausforderungen. Sie müssen bisherige Kerngeschäfte neu ausrichten und neue Aufgaben für ihre Mitarbeitenden finden, wenn Formal- und Sachkatalogisierung zunehmend an Bedeutung verlieren, weil sie entweder maschinell ausgeführt werden oder weil diese Aufgaben künftig ausgelagert oder zentralisiert werden. Es ist zudem neues Know-How bei den Mitarbeitenden gefragt, damit sie die Nutzerinnen und Nutzer in der Handhabung der elektronischen Formate schulen und informieren können. Das Thekenpersonal sollte Auskunft geben können, wie die angebotenen Formate auf verschiedenen Geräten genutzt werden können.

Zum Schluss bin ich auf die Produktion multimedialer, interaktiver E-Books in offenem Standard eingegangen. Ich behaupte, dass dies eine künftige Aufgabe von Hochschulen oder Hochschulbibliotheken sein könnte. Es gibt mittlerweile den Standard dafür (EPUB 3) und auch Tools zur Produktion (BlueGriffon), so dass Dozierende und Forschende künftig ihre Lehrbücher (oder Skripte) selbst herstellen können. Vergleiche dazu den Beitrag zur Inetbib-Tagung. Bibliotheken könnten sich hier mit Beratungsdienstleistungen, mit einem Angebot für die Distribution und Archivierung der Dokumente und der einzelnen Elemente ein neues Aufgabengebiet erschliessen. Herausforderungen sehe ich hier zum einen beim benötigten Know-How sowie der Weiterentwicklung der Repositorien, die mit neuen Formaten und verstärkt mit Versionen von Dokumenten umgehen können sollten.

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