Trend und Herausforderung #8: alternative Suche

Das Problem ist seit einiger Zeit bekannt, das Rezept noch nicht gefunden: Den Bibliotheken ist eine wohl übermächtige Konkurrenz als wichtigste Informationsvermittler erwachsen. Mit Google Scholar bietet der Suchmaschinenriese auch eine spezifische Suche nach wissenschaftlichen Ressourcen an, Forschungs- und Austauschplattformen sind entstanden, auf denen WissenschaftlerInnen Informationen austauschen und sich vernetzen (z.B. ResearchGate oder Mendeley).

Musste man früher für die Konsultation einer Enzyklopädie die Bibliothek aufsuchen, macht man das heute online über Wikipedia. Auf viele elektronische Ressourcen kann man von zu Hause aus oder von unterwegs zugreifen. Und gerade bei offenen Inhalten benötigt man die Vermittlung durch Bibliotheken nicht mehr. Nur bei lizenzierten und eingeschränkt nutzbaren Inhalten ist man weiterhin auf die Infrastruktur der Bibliothek angewiesen – und viele NutzerInnen merken es nicht einmal. Verschiedenste Branchen haben diesen Paradigmenwechsel nicht überlebt oder stecken in einer grossen Krise: Videotheken, Reisebüros, CD-Shops etc. Werden die Bibliotheken den Turnaround schaffen? Welchen Mehrwert können Bibliotheken gegenüber diesen Konkurrenten bieten? Ich vermute, dass die Spezialisierung auf Kernbereiche und auf die persönliche Vermittlung von Information künftig an Bedeutung gewinnen wird. Die Verbesserung der Suchresultate durch den Einsatz von semantischen Technologien wird nötig sein, um einigermassen Schritt zu halten, denn die grossen Suchmaschinenanbieter setzen bereits auf diese Technologien. Mit dem neuen Suchportal Livivo hat die ZB MED im April 2015 diesen Schritt vollzogen: www.livivo.de.

Nach wie vor geniessen Bibliotheken grosses Vertrauen, und dies dürfte künftig im Zusammenhang mit dem Datenschutz eine wichtige Rolle spielen. Auch die Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen ist ein Pluspunkt für Bibliotheken, gerade wenn die Suchergebnisse kommerzieller Unternehmen in den Verdacht geraten beeinflussbar zu sein. Die Vermittlung von Information Literacy bildet ein Aufgabengebiet von Bibliotheken, das möglicherweise immer wichtiger wird angesichts der wachsenden Informationsflut. Eine aktuelle und künftige Herausforderung besteht darin, dass Studierende und Dozierende den Bibliotheken diese Rolle zugestehen und ihnen zutrauen, dass sie die für das jeweilige Fachgebiet benötigten Kompetenzen und Fähigkeiten vermitteln können.

Das von Sarah McIntyre für eine Bibliothekskampagne in den USA geschaffene Plakat mit dem Slogan „a trained librarian is a powerful search engine with a heart“ gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die persönliche Vermittlung einen echten Mehrwert darstellt.

Sarah McIntyre: Super Librarian

Das Poster kann hier frei bezogen werden: http://jabberworks.livejournal.com/525413.html

Autor: mrudolf

Director of University Library Zurich, former Director of State and University Library Lucerne (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern), former Professor for Library Science at HTW Chur (university of applied sciences), co-editor of Informationspraxis, co-principal investigator of the Horizon Report Library Edition, blogging on library topics - and also on mindful living (in German as Männerherz)

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