Trend und Herausforderung #10: Bibliothek als Raum

In die Ausgabe 2014 des Horizon Report Library Edition hat es das Thema neue Funktionen der Bibliothek als Raum nicht geschafft. Doch die in den vorangegangenen Beiträgen geschilderten Veränderungen wirken sich unmittelbar auch auf die Funktion und die Gestaltung des Raums der Bibliotheken aus. Oder anders herum lässt sich sagen, dass sich Bibliotheken im Raum neue Nutzungsformen erschliessen müssen, da sich die traditionellen Geschäftsbereiche und Nutzungsformen verändern.

Two students writing a project together at Hjørring library.  Photo by: Per Drustrup Larsen
Two students writing a project together at Hjørring library.
Photo by: Per Drustrup Larsen

Mehr zum Beispiel Hjørring Library finden Sie hier: http://modelprogrammer.kulturstyrelsen.dk/en/cases-for-inspiration/aktuelle-cases-til-inspiration/case-hjoerring-library/#.VVH-U2AkH8o

Mittlerweile stehen viele Bibliotheken vor der Frage, wie sie Bestände, die im Alltag weniger wichtig werden und deshalb in dezentralen Speichern gelagert werden, in ihren Räumen weiterhin sichtbar machen. Als Beispiele möchte ich hier die kooperative Speicherbibliothek mehrerer Schweizer Kantone (kooperative Speicherbibliothek in Wikipedia) oder die Neugestaltung der Zentralbibliothek der Universitätsbibliothek Bern erwähnen. In beiden Fällen werden Bestände ausgelagert und werden für die Nutzenden nicht mehr in den Bibliotheksräumen sichtbar sein. Die UB Bern hat sich entschlossen, alle Medien in die Bibliothek Von Roll auszulagern, wodurch der Raum in der umgebauten Zentralbibliothek frei wird für andere Nutzungsformen: mehr Lesesäle, Gruppenarbeitsräume, Ausstellungsräume und ein Café. Damit verschärft sich eine angesichts der immer häufiger nur noch virtuellen Angebote auch alle anderen Bibliotheken drängende Frage: Wie können die virtuellen Dienstleistungen den Nutzenden der Bibliothek attraktiv präsentiert werden? Welchen Mehrwert schafft der Besuch der Bibliothek? Eigentlich spreche ich hier schon die nächste Herausforderung an, die eine eigene Diskussion verdient: die Sichtbarkeit der Bibliothek und ihrer Dienstleistungen in der digitalen Welt. Oder wie der virtuelle und der physische Bibliotheksraum ineinander übergreifen.

In Bezug auf den Raum stellen sich folgende Fragen: Können Bibliotheken es sich leisten, nur noch als Arbeits- und Lernort zu wirken und sich komplett von den Medien zu lösen? Wie wichtig sind Bücher als Umgebung zum Lernen und als greifbare Medien zum Studieren? Oder können die neuen Lernzonen genauso gut vom Facility Management angeboten und betrieben werden?

Untersuchungen bestätigen regelmässig, dass Bibliotheken sehr beliebte Orte zum Lernen und Arbeiten sind. Tatsache ist, dass die Nutzungsformen und die Ansprüche der NutzerInnen vielfältiger werden. Mit dem grossen Lesesaal zum ruhigen Studieren deckt man heute nur noch einen kleinen Teil der Anforderungen ab. Gefragt sind unterschiedliche Zonen, um alleine oder in Gruppen leise oder laut zu lernen und zu arbeiten mit der entsprechenden technischen Infrastruktur. Oder Zonen zum Entspannen. Hinzu kommen neue Funktionen wie die Vermittlung neuer Technologien in Makerspaces oder DigiLabs. Für die Öffentlichen Bibliotheken haben dänische Kollegen das Modell der Four Spaces entwickelt. Jochumsen, Henrik; Hvenegaard Rasmussen, Casper; Skot‐Hansen, Dorte (2012): The four spaces – a new model for the public library. In: New Library World, Band 113, Ausgabe 11/12, 16.11.2012, S. 586–597. Welche Bedeutung hat dieses Modell für Wissenschaftliche Bibliotheken? Wie wichtig sind spielerische Erfahrung oder Experimentieren mit neuen Technologien für die Zielgruppen wissenschaftlicher Bibliotheken? Aktuell untersuchen wir in einem Seminar an der HTW Chur, inwiefern Wissenschaftliche Bibliotheken als 3. Ort genutzt werden. Abgesehen von der spannenden Diskussion, was man heute unter Drittem Ort versteht und was Oldenburg ursprünglich damit meinte (vgl. den Beitrag in Wikipedia), versuchen wir mittels Beobachtungen herauszufinden, wie die Bibliotheken wirklich genutzt werden. Aus früheren Arbeiten zeichnete sich ab, dass – jedenfalls in der Schweiz – Wissenschaftliche Bibliotheken vorwiegend zum Arbeiten, also als Zweiter Ort, genutzt werden.

Autor: mrudolf

Director of University Library Zurich, former Director of State and University Library Lucerne (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern), former Professor for Library Science at HTW Chur (university of applied sciences), co-editor of Informationspraxis, co-principal investigator of the Horizon Report Library Edition, blogging on library topics - and also on mindful living (in German as Männerherz)

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