Trend und Herausforderung #4: Kollaboration

Jørgen Stamp: International Digital Preservation (CC-BY)
Jørgen Stamp: International Digital Preservation (CC-BY)

Viele der bisher angesprochenen Trends enthalten das Element Zusammenarbeit. Bei OER muss z.B. mit Lehrenden, Didaktikstellen, E-Learning-Fachstellen und anderen zusammengearbeitet werden. Multidisziplinär ausgerichtete Forschung, wie z.B. in den Digital Humanities, bedingen eine fächerübergreifende Kooperation. Viele der elektronischen Dienstleistungen kann eine einzelne Bibliothek gar nicht betreiben – und wenn es technisch möglich wäre, macht es inhaltlich wenig Sinn: digitale Langzeitarchivierung, Repositorien, Digitalisierungsplattformen, Lizenzierung und vieles mehr wird heute schon in Form von Verbünden, Konsortien oder Netzwerken betrieben und den Nutzern angeboten. Cloudbasierte Infrastrukturen werden diesen Trend noch verschärfen und die Grundsatzfrage aufwerfen, was man in welcher Form gemeinsam betreiben kann oder muss. Das Konzept von Linked Open Data (Diskussion dazu folgt) verlangt nach koordinierter Zusammenarbeit – und so wird sich die Katalogisierung in naher Zukunft komplett verändern. International agierende Unternehmen oder Organisationen (wie z.B. OCLC oder ExLibris) richten ihre Produkte auf diese weltweite Kooperation aus, und es stellt sich die Frage, in welchem Ausmass Bibliotheken die Entwicklung mitgestalten werden oder diese den kommerziellen Vorreitern überlassen.

Die verstärkte Zusammenarbeit bedeutet, dass Bibliotheken Aufgaben kooperativ übernehmen oder zentral bearbeiten lassen. Dadurch verändern sich die Profile der einzelnen Bibliotheken, die sich auf kundennahe Dienstleistungen konzentrieren können. Als Herausforderungen sehe ich hier unter anderem die Sicherheit und den Datenschutz, der bei zentralen, eventuell international betriebenen Services ein wichtiges Thema sein dürfte. Bibliotheken müssen dafür besorgt sein, dass sie eine ihrer grossen Stärken, nämlich die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit, nicht einer gesteigerten Effizienz opfern. Auch gilt es Abhängigkeiten zu vermeiden, die sich gerade dann ergeben können, wenn Kernaufgaben an externe Dienstleister oder Firmen delegiert werden.

Zusammenarbeit war 2014 der Metatrend, dem die Association of College & Research Libraries in ihren Top Trends in Academic Libraries alle übrigen Themen unterordnete: „This year, after numerous discussions and literature reviews, the committee decided upon a unifying theme for current trends: deeper collaboration.“ Um die notwendige neue Form und Dimension der Zusammenarbeit zu betonen wird auch von radikaler Kollaboration gesprochen. Doch die Zusammenarbeit beschränkt sich nicht auf Bibliotheken untereinander, sondern bezieht sich auch auf andere Institutionen, wie diese zum Beispiel in der GLAM-Bewegung (Galleries, Libraries, Archives, Museums) zum Ausdruck kommt. Im Rahmen von sog. Hackathons nutzen IT-Spezialisten und IT-affine Forschende offene Bestände dieser Kultur- und Gedächtnisinstitutionen, um neue Anwendungen und Applikationen zu entwickeln. Beispiele hierfür sind im deutschen Sprachraum die Aktion „Coding Da Vinci“ (http://codingdavinci.de), die 2015 zum zweiten Mal durchgeführt wird oder der First Swiss Open Cultural Data Hackathon in der Schweizer Nationalbibliothek (http://make.opendata.ch/wiki/event:2015-02).

Ach ja, hier im Blog sei noch angemerkt, dass ich schon 2013 im Rahmen der ASPb-Tagung in Kiel unter anderem zu diesem Thema gesprochen habe. Im Anschluss an das Referat ist ein streitbarer Bibliothekar aufgestanden und gesagt, sie würden ja schon seit Langem in Bibliotheken mit anderen zusammenarbeiten. Das will ich gar nicht abstreiten. Aber meiner Ansicht nach müssen Bibliotheken bereit sein, anders – tiefer, radikaler – zusammenzuarbeiten. Und das bedeutet, dass man sich entscheiden muss, was man besser kann als andere und wo es eben Sinn macht, auch geliebte traditionelle Beschäftigungen aufzugeben. Und auch auf der Ebene der Verbünde ist eine vertiefte Auseinandersetzung darüber nötig, wie viele Verbünde es wozu braucht.

Autor: mrudolf

Director of University Library Zurich, former Director of State and University Library Lucerne (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern), former Professor for Library Science at HTW Chur (university of applied sciences), co-editor of Informationspraxis, co-principal investigator of the Horizon Report Library Edition, blogging on library topics - and also on mindful living (in German as Männerherz)

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